Professor Dr. med. Klaus Sartor erhält die Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Röntgengesellschaft e.V.

Lehren aus einem unorthodoxen Werdegang                                                         

Professor Dr. med. Klaus Sartor, Mentor und Modernisierer der Neuroradiologie in Deutschland, spricht zu Studenten auf dem 94. Deutschen Röntgenkongress

Einen Vortrag auf dem Deutschen Röntgenkongress wolle er nicht mehr halten, ließ Klaus Sartor wissen, als ihm mit der Ankündigung zur Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der DRG auch ein Podium angeboten wurde. Schließlich sagte er doch zu – im Studentenprogramm „Die hellsten Köpfe für die Radiologie“.

Angefangen hat seine Karriere eher unspektakulär. Nach Staatsexamen und Promotion leistet Klaus Sartor zunächst seine Medizinalassistenten-Zeit in kleineren Häusern seiner Siegerländer Heimat ab, wo er allerdings schnell eine Faszination für die Bilddiagnostik entwickelt, die sich zum Teil aus seinen künstlerischen Neigungen speist.

Es folgt ein aufregendes Jahr in den Vereinigten Staaten. Im Mercy Hospital & Medical Center in Chicago erlernt der junge Radiologe die Techniken der prä-tomografischen Ära, darunter die Angiografie und die anfangs der siebziger Jahre üblichen, durchweg noch recht eingreifenden Untersuchungsverfahren bei Krankheiten von Gehirn und Rückenmark. Bei der Beschäftigung mit Neuroradiologie (diesen Begriff hört er in den USA zum ersten Mal) zahlt sich der Fleiß vorklinischer Semester aus; mit Begeisterung hatte sich Sartor zehn Jahre zuvor –  anders als viele Kommilitonen – mit der Hirnanatomie beschäftigt.

 „In Chicago habe ich mein Ding gefunden.“ Sein Ding – das ist die Neuroradiologie. Ihn fasziniert das Organ und ihn fasziniert die Methodik. Bei einer Tagung in New York, wo er Godfrey Hounsfield, den CT-Erfinder und späteren Nobelpreisträger neben zwei britischen Neuroradiologen sprechen hört, sieht Sartor – es ist Mai 1972 – erste CT-Scans vom Gehirn.

Als Klaus Sartor nach Deutschland zurückkehrt und 1973 die Facharztanerkennung erhält, baut er neben seiner Oberarzttätigkeit die Neuroradiologie am Allgemeinen Krankenhaus Altona (AKA) in Hamburg auf; das AKA, heute zur Asklepios-Kette gehörend, ist da noch ein städtisches Klinikum mit nahezu 1.300 Betten. Gegen interne Widerstände erreicht Sartor 1977 die Investition eines CT-Scanners. Inzwischen werden statt der reinen Kopf-Scanner auch Geräte angeboten, mit denen sich der ganze Körper untersuchen lässt. Dies wird zur Voraussetzung für Sartors vorläufigen wissenschaftlichen Schwerpunkt, die nicht-invasive Bildgebung des Spinalkanals.

Noch wird die Diagnostik bei Krankheiten von Gehirn und Rückenmark von Neurologen und Neurochirurgen dominiert, so dass Sartor als „gelernter“ Radiologe eher zögernd Akzeptanz findet. Mit der Zeit erarbeitet er sich aber den Respekt – am AKA unter anderem dadurch, dass er, so oft es nur geht, den Neurochirurgen bei ihren Operationen assistiert.

Um die hierzulande noch von den Direktpunktionstechniken beherrschte Angiografie zu modernisieren, geht er 1974 – beurlaubt, aber ohne Bezüge – für mehrere Monate nach San Francisco in eins der damaligen Mekkas für Neuroradiologie. An der University of California erlernt er den Umgang mit dünnen Kunststoffkathetern – eingeführt meist via A. femoralis – in der zerebralen und spinalen Angiografie. Danach stellt er seine Diagnostik am AKA auf das schonendere, auch universeller einsetzbare Verfahren um und macht die Technik in Deutschland publik, u.a. durch sein erstes Lehrbuch Einführung in die Neuroradiologi (1976).

An der Universität Hamburg habilitiert er sich 1981 formal als sog. Externer – als jemand von außerhalb. Dies geschah parallel zur täglichen klinischen Arbeit, der neuroradiologischen Versorgung eines Klinikums mit großen Abteilungen aller sog. Kopffächer.  

Die Leistungsbereitschaft und die Fach- wie Landesgrenzen überschreitende Fähigkeit Sartors, innovativ zu denken und zu modernisieren, werden auch in den USA registriert. Auf einer Tagung in Seefeld/Tirol bekommt er von seinem späteren amerikanischen Chef das Angebot, ans Mallinckrodt Institute of Radiology (MIR) der Washington University School of Medicine in St. Louis zu kommen. Das MIR ist eins der bedeutendsten und größten Einrichtungen seiner Art in der Welt, allein die Neuroradiologie dort ist so groß wie manche universitäre Diagnostikabteilung in Deutschland.

Was Sartor im Alter von schon 42 Jahren mit seiner Familie den Schritt nach Amerika zu tun veranlasst, ist  das Aufkommen der Magnetresonanztomografie (MRT). Ihm ist klar, dass die MRT die Neuroradiologie revolutionieren und in ihrer Bedeutung stärken wird. Und er weiß, dass es dauern dürfte, bis das AKA ein eigenes Gerät bekommt. Er beschließt, dem Angebot aus St. Louis zu folgen. Am MIR wird im gleichen Jahr – 1983 – ein MRT-Scanner installiert.

Von 1983 bis 1989 wird Sartor in Amerika bleiben. Vielleicht ist es kein Zufall, dass die Rückkehr in die Zeit fällt, als sich die Wiedervereinigung Deutschlands anbahnt. „Meine  Frau und ich bekamen auf einmal so ein Gefühl der Nostalgie – Heimweh nach Europa. Wir wussten natürlich, dass auch in Deutschland die Leute nicht nur Beethoven hören und über Literatur sprechen, aber aus diesen nostalgischen Gefühlen heraus wollten wir zurück.“

Der  Ruf an die Universität Heidelberg kam also gerade recht. Es ist eine Berufung als reiner Neuroradiologe. Die Abteilung in der Kopfklinik ist klein und schlecht ausgestattet, nur zwei feste ärztliche Mitarbeiter stehen ihm zur Verfügung. Klaus Sartor packt es an und formt allmählich aus dem kleinen ein großes Haus – eins mit enormer Strahlkraft auf die gesamte deutsche Neuro-Szene: Über ein dutzend Habilitationen wird er während und noch eine Weile nach seiner Amtszeit (die er um anderthalb Jahre verlängert) betreuen, seine Schüler bekleiden heute Lehrstühle und Chefarztposten in ganz Deutschland, dazu einen Lehrstuhl in der Schweiz.

Dass die Neuroradiologie zu einem Schlüsselfach der medizinischen Versorgung geworden ist, ist wohl auch Klaus Sartor zu verdanken. Was macht einen guten Lehrer aus? Klaus Sartors Antwort klingt einfach: „Seinen Schülern so oft es nur geht den Vortritt lassen, in Publikationen etwa oder bei Kongressvorträgen. Möglichst gute Leute aussuchen und die intensiv fördern. Sein Wissen weitergeben. In klinischer, akademischer und administrativer Hinsicht Vorbild sein, also zeigen, wie’s geht – oder wenigstens, wie’s gehen sollte. Dabei darf die Messlatte ruhig hoch liegen, solange sie nicht allgemein als unerreichbar hoch  gilt.“

Wer eine große Lehrerpersönlichkeit erleben möchte, hat hierzu Gelegenheit in der Session „Hellste Köpfe I: Studieren und Arbeiten im Ausland“: Klaus Sartor: „Blick zurück nach vorn. Reminiszenzen an die Entwicklung der Neuroradiologie und Lehren aus einem unorthodoxen Werdegang.“

Donnerstag, 30. Mai 2013, 15:30-17:30 Uhr.

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